Phillip sagt, ich sei gar kein Atheist, sondern eher ein Zweifler. Und er sagt, das sei per se zwar nicht schlecht, mit Blick auf den Glauben könne das aber ungünstig sein und deshalb solle ich doch, wie von Blaise Pascal vorgeschlagen, einfach mal wetten, dass es Gott gibt. Denn wenn ich mich für den Glauben entscheiden würde – ganz gleich ob ich wirklich glaube oder nicht – könne ich alles gewinnen, aber nichts verlieren. Wenn ich mich allerdings dafür entscheiden würde nicht zu glauben, könne ich alles verlieren, aber nichts gewinnen. Wenn also der Ungläubige recht hätte, dann wäre mit dem Tod eben Schluss. Hätte er aber Unrecht, dann hätte er immerhin die ewige Seeligkeit verspielt. Und außerdem könne ich ja erstmal für drei Monate wetten und dann weiterschauen.
Ich mag Phillips Pragmatismus.
Eine Entscheidung nur deshalb zu treffen, weil sie klug scheint, wäre natürlich möglich, aber kann der Ungläubige plötzlich glauben, nur weil er dabei nichts zu verlieren hat?
Autor: Steffen Ebert
Frankfurt war für uns Jungs aus der Kleinstadt zwischen Neckartal und Odenwald ja quasi New York. Die Fahrt über viel Landstraße und wenig Autobahn dauerte zwar nur rund 90 Minuten, uns brachte sie aber immer in eine völlig andere Welt.
Dort wurden wir zuerst auf der Straße beim Hütchenspiel gerupft, danach am Flughafen aus der Disco geschmissen und schließlich in einem rot beleuchteten Haus in Bahnhofsnähe von Frauen aus aller Welt beschimpft. Die wussten nämlich ganz genau, dass wir Milchgesichter nur schauen wollten. Und in Afrika – jedes Stockwerk repräsentierte damals praktischerweise eine Herkunftsregion – ist einer der Damen die Hutschnur geplatzt und sie zerrte kurzerhand den letzten aus unserer Karawane der Sprachlosen in ihre Kammer der Freuden und schmiss die Türe zu. Als jener, der auch noch unser Fahrer war, dann so laut um Hilfe rief, dass wir es noch durch die geschlossene Türe hörten, bekamen wir es endgültig mit der Angst.
Wir hatten dann erstmal wieder genug von New York und fuhren über wenig Autobahn und viel Landstraße zurück in unsere Kleinstadt zwischen Neckartal und Odenwald.
Klar, Kinder haben ist etwas ganz besonderes, weiß ja jeder. Und wenn diese Kinder dann anfangen einen zu imitieren, dann ist das wirklich rührend.
Erst plappern sie Worte nach, dann wiederholen sie Gesten und irgendwann wählen Sie dann auch Latein, ganz gleich wie sehr man ihnen davon abgeraten hat.
Als der Kleine mich dann aber fragte, ob er auch mal mit einer meiner alten Kameras einen Film belichten dürfe, da war das irgendwie besonders besonders.
The best things in life are analog.
Früher waren wir Weihnachten fast immer in Südtirol. Den Christbaum haben wir auf dem Autodach mitgenommen. Erst die A7 runter bis Nesselwang, dann über Lermoos zum Fernpass und schließlich über Brenner und Reschenpass Richtung Schüttelbrot und Brettlspeck.
Spätestens hinter Heilbronn wurde vorne links dann die erste Reval angemacht und meist kurz vor Ulm hinten rechts zum ersten Mal in die Plastiktüte gekotzt.
Die letzten Kilometer mussten wir Kinder dann oft draußen auf dem Kofferraum sitzen, damit genug Gewicht auf die Hinterachse kam. Der alte Herr steuerte dann ganz lässig den Berg hoch und lachte sich mit heruntergekurbeltem Fenster über die hängengebliebenen Winter-Amateure aus Holland schlapp.
Heute sind wir Weihnachten fast immer zu Hause. Hauptsächlich deshalb, weil die Hälfte von uns Skiurlaub scheiße findet, aber auch, weil wir Weihnachten ja schon immer zuhause gefeiert haben.
So ist das eben mit Traditionen.
Und ich kaufe dann jedes Jahr einen Panettone, vermisse früher und freue mich über heute.
Ich habe immer schon Flugzeugen nachgeschaut. Früher als Kind, und heute mache ich das auch noch. Ich kann nicht anders. Das Fliegen hat mich schon immer fasziniert.
Nach meiner ersten Flugstunde mit Erich war mir dann so schlecht, dass ich drei Tage lang nicht geradeaus laufen konnte. Erich sagte dann, dass ich mal ein guter Pilot werden würde, denn wer nach so einem Flug wieder käme – zumal einer mit Höhenangst – dem sei es wirklich ernst.
Ich bin dann tatsächlich immer wieder gekommen – und das geht jetzt schon 12 Jahre so.
Erich hat sich später in den Kopf geschossen. Man hatte ihm gesagt, dass er jetzt zu alt fürs Fliegen sei, es in Eisenach aber ein sehr schönes Altersheim gäbe, in dem er sich sicher wohlfühlen würde.
Ich vermisse Erich.
Shaban kam damals mit seiner Schwester aus dem Kosovo. Beide haben viel gesehen und an keinem von beiden ging das spurlos vorbei. Die Ärzte haben Shaban dann immer mehr Tabletten gegeben, aber die Traurigkeit blieb trotzdem.
Irgendwann hat er seine Liebe zu ausgefallenen Fahrrädern entdeckt. Und zu Bäumen. Mehr als 2.500 Bäume hat er inzwischen gepflanzt – ganz alleine und überall dort, wo ihm welche gefehlt haben.
Und eines Tages ist ihm dann aufgefallen, dass ein Unbekannter diese Bäume regelmäßig und fachmännisch in Form schneidet. Vielleicht hat der ja auch die Schnauze voll von Ärzten und Tabletten.
Aleksan saß in der Grundschule irgendwo hinter mir. Als wir in der zweiten oder dritten Klasse bei ihm Kindergeburtstag gefeiert haben, gab es erst Börek und dann einen Zombiefilm auf dem neuen Video-2000-System.
Später handelte Aleksan irgendwann mit komisch riechenden Lederjacken, die er aus dem Kofferraum seines Autos raus zu Freundschaftspreisen anbot.
Aleksans kleine Schwester schaute damals auch mit, nur sein alter Herr las lieber die Hürriyet.
Wolfgang schraubt, seit er denken kann. Autos, Motorräder, Flugzeuge – ganz egal. Und fast 50 Jahre lang hat er damit auch sein Geld verdient.
Bei Motorrädern schwört er auf Moto Guzzi und bei Flugzeugen auf seine kunstflugtaugliche Bücker Bestmann, mit der er regelmäßig auf Flugtagen im Dogfight auftritt – beides Klassiker, wie er selbst.
Und dieser neumodische Elektro-Mist, sagt er, käme ihm niemals ins Haus.
Immer wieder der selbe Weg. Apple Health sagt, dass ich muss und die Kamera sagt, dass ich soll. Und irgendwann scheinen sich die Dinge dann plötzlich verändert zu haben. Dann zeigen sich Details, die sich nie zuvor gezeigt haben – obwohl sie schon immer da waren. Als hätten sie in unendlicher Geduld auf den richtigen Moment gewartet.
Ich dachte ja immer, Geduld sei nur was für Idioten – aber vielleicht war ja ich der Idiot.
Markus sagt, wenn man auf Norderney eine Immobilie kaufe, dann tausche man eigentlich nur Geld gegen Backsteine. Und wenn man dann irgendwann die Backsteine wieder gegen Geld tauschen wolle, bekäme man mehr zurück als man investiert habe.
Tauscht man allerdings den selben Betrag Geld hier bei mir gegen Backsteine, man bekäme locker vier Mal so viele wie auf Norderney. Und in Sachsen-Anhalt oder Brandenburg bekäme man wahrscheinlich eine ganze Backsteinbrennerei – samt Tongrube, leerstehendem Konsum, eines biberbraunen Trabis und einer ehemaligen LPG.
Aber Norderney hat halt das Meer und das Meer gewinnt immer.